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Workshop 2

DiGAs – Mehrwert in der Versorgung oder nur eine nette Spielerei?

Zulassung und Vergütung von DIGAs wurden zügig auf den Weg gebracht. Jetzt ist Ärzt:innen und Patient:innen das Nutzenpotential der Gesundheits-Apps zu verdeutlichen, um stärkere Nachfrage zu generieren. Dazu müssen gängige Evidenzbewertungen auf den Prüfstand.

Gesundheits-Apps sind mutige und nützliche Innovation

Mit den Digitalen Gesundheitsanwendungen hat das Bundesgesundheitsministerium in kurzer Zeit eine echte Innovation in das regulierte Gesundheitssystem gebracht. Ihr Mehrwert für die Versorgung wird nun von der zunehmenden Akzeptanz im Versorgungsalltag sowie von ihrer Evidenz abhängen. Ein Überdenken von Studiendesigns zur Nutzenbewertung der DIGAs könnte bewirken, dass mehr Ärzt:innen und Patient:innen DIGAs als sinnvolle Therapiemöglichkeit erkennen.

Portrait Dr. Henrik Matthies

„Durch DiGA kommen endlich qualifizierte, innovative digitale Lösungen auch in den Alltag der Patient:innen. Und das gesamte Gesundheitswesen lernt mit, wie wir in Zukunft Performance-basiert Leistungen vergüten können. Zudem stehen Dank DiGA qualifizierte Real World Data zur Verfügung, ein Datenschatz für das gesamte Gesundheitswesen.“

Dr. Henrik Matthies, Health Innovation Hub | Moderator

Vorgehensweise war richtig

Der Start des DIGA-Fast Tracks war der richtige Weg, um innovative Angebote zügig im Versorgungsalltag zu etablieren. Dies unterstreicht Dr. Henrik Matthies mit seiner Zwischenbilanz, die er nach zwölf Monaten anhand von zehn KPIs zieht. Dass Deutschland sich mit zwanzig Ländern über die DIGA-Einführung austausche, belege den Erfolg der Fast-Track-Regelungen. Ohne sie wären aktuell nur wenige DIGAs verzeichnet und viele sinnvolle Lösungen blieben ungenutzt. Jetzt umfasse das Verzeichnis neben fünf endgültig zugelassenen fünfzehn weitere DIGAs. Für diese könnten Wirksamkeitsnachweise zur endgültigen Aufnahme nachgereicht werden. Nachteile für die Patient:innen habe dies laut Matthies auch dann nicht, wenn positive Versorgungseffekte nicht nachweisbar seien. Schon allein die durch DIGAs erzeugten Daten seien ein Gewinn für alle. Daher sieht Matthies in DIGAs eine mutige Innovation, deren Mehrwert gegeben sei.

Prozesse funktionieren

Patient:innen können DIGAs nach Verordnung durch den Arzt oder nach eigener Direktanfrage bei den Krankenkassen nutzen. Den Anspruch muss die Kasse genehmigen und einen Aktivierungscode für die App-Nutzung übermitteln, erläutert Joachim Henkel. Egal, ob mit oder ohne Verordnung funktioniere dieser Prozess seit November 2020 seitens seiner Kasse sehr gut, befindet er. Seit Einführung der DIGAs steige die Nachfrage bei der AOK Hessen leicht an.

Nachfrage geringer als erwartet

Allerdings waren Henkels Erwartungen an die Nachfrage höher. Nur 82 Anfragen pro Monat könne man mit Stand Ende August 2021 verzeichnen und diese bezögen sich lediglich auf acht DIGAs. Den Grund sieht Henkel u.a. in der Zurückhaltung der Ärzt:innen. Am meisten frequentiert worden sei die Tinnitus-App Kalmeda. Vier der acht nachgefragten Anwendungen beträfen psychische Erkrankungen, berichtet Henkel. Überrascht habe ihn, dass die erwartete Flut an Diabetes-Apps ausgeblieben ist und nur eine Anwendung gelistet sei. Angefragt worden sei diese bei der AOK Hessen bislang noch nicht.

DIGAs für Hersteller noch nicht rentabel

Angesichts der Entwicklungskosten seien die Hersteller laut Matthies auf eine massenhafte Verbreitung der Apps angewiesen. Verdienen könnten sie ausschließlich am Preis der DIGA. Dieser bemesse sich nach einer 12-Monats-Frist an der Evidenz der Anwendung und den darauf basierenden Preisverhandlungen mit dem GKV-SV.

Nutzenbewertung der DIGAs neu denken

Die Evidenz mit Wirkungsmessungen zu belegen sei häufig ein Problem, da die klassischen Studiendesigns bei DIGAs nicht funktionieren, meint Dr. Thomas Elter, Sonderpreisträger beim MSD-Gesundheitspreis 2019 mit der Onkologie-App EasyOncology. Vom Mehrwert onkologischer DIGAs ist er überzeugt, weil sie das Potential haben, durch Vermittlung von Gesundheitskompetenz die Leitlinien-Adhärenz zu verbessern und damit vermutlich auch das Überleben günstig zu beeinflussen. Als problematisch sieht Elter, dass die üblicherweise eingesetzten standardisierten Fragebögen ungeeignete Instrumente zur Messung der spezifischen und eigentlich relevanten Gesundheitskompetenz sind. Dies kann zur Zulassung allgemeingültiger DiGAs führen, die aber die vom BfArM geforderten Voraussetzungen erfüllen. Es müssen auch alternative und an die neuartigen Formen der Datenerhebung angepasste Studiendesigns angedacht werden, mit denen sich die erforderliche Relevanz und Signifikanz der DiGAs erheben und absichern lassen. „Placebo-kontrolliert und doppelblind“ seien bei DIGAs keine zielführenden Kriterien, konstatiert er. Um über Evidenz und Nutzen von DIGAs urteilen zu können, müssten die „richtige Fragen in den richtigen Studien“ gestellt werden.

Referenten

Portrait Dr. Henrik Matthies

Dr. Henrik Matthies

Health Innovation Hub | Moderator

Portrait Joachim Henkel

Joachim Henkel

AOK Hessen | Referent

Portrait Thomas Elter

Dr. Thomas Elter

Easy Medical Applications | Referent

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