
Innovative Versorgung gemeinsam gestalten
Über 150 Teilnehmende diskutierten gemeinsam über den Fortschritt eines zukunftssicheren Gesundheitswesens.

Return to better care
Zeitenwende für zukunftsfähiges Gesundheitssystem
Die derzeitigen Krisen erfordern auch eine Zeitenwende im Gesundheitswesen, sagte der bayerische Staatsminister Klaus Holetschek. Es drohe eine humani-täre Katastrophe, wenn Optimierungschancen verstolpert werden. Die wichtigsten Ziele aus seiner Sicht sind: die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege, die Umsetzung einer Pflege- und Krankenhausreform sowie der Abbau von Bürokratie und Regulierung. Auch für die Geschäftsführerin von MSD in Deutschland, Chantal Friebertshäuser, ist ein resilientes Gesundheitssystem in der Zukunft wichtiger denn je. Für sie ist klar: dieses lässt sich nur durch Kulturwandel und dem Fokus auf gemeinsame Gesundheitsziele erreichen.
Gemeinsame Ziele für die Zukunft
Für die große Transformation müsse mit dem Zielbild einer „Value-based Health Care“ – also eines Patient:innen- und ergebnisorientierten Gesundheitssys-tems – und einer wohnortnahen, integrierten Gesunderhaltung und Versorgung von der Zukunft aus gedacht werden, erklärte Prof. Dr. Lutz Hager. Für ihn könnte außerdem das fast ungenutzte Potenzial des Selfmanagements von Patient:innen ein Ansatzpunkt für die Digitalisierung sein.
COVID-Momentum als Impuls nutzen
Große Transformation ist kleinteilige Aufgabe
Das Momentum aus der COVID-Pandemie kann laut Prof. Dr. Lutz Hager für die Transformation der Gesundheitsversorgung genutzt werden. Der große Wurf erfordere viele kleine, konkrete Schritte. Das Lernen erfolge vielerorts und bewirke internationalen Austausch. Für die Koordination brauche es aber ein Public-Health-System. Dieses sei auch für das Teilen und Nutzen von Daten wichtig, betont Dr. Jutta Wendel-Schrief in Deutschland. Ein Mehrwert für die Versorgung entstehe aus Daten aber nur nach geklärter Datensicherheit.
Rahmen und Formate für Innovation schaffen
Die Etablierung eines resilienten, lernenden Gesundheitssystems braucht Freihandelszonen, weil der gegebene Rahmen Innovation und sektorenübergreifen-den Datenaustausch erschwere, erklärte Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost. Zwingend sind für die Erneuerung laut Birgit Demski zudem neue Formate der Patienteneinbindung. Digitalisierung bedingt aus Sicht von Dr. Monika Schliffke Vertrauensbildung und darf nur ein Angebot für Patient:innen sein. Transformation müsse medizinische Innovation und Strukturen unterscheiden und auf vielen Ebenen probiert werden.


Gesundheitspolitik für morgen
Mindset-Change kann Gesundheitssystem optimieren
Seit 2020 ist das Gesundheitswesen einer Belastungsprobe ausgesetzt und beweist Leistungsfähigkeit. Das schafft Zuversicht für die Transformation des Gesundheitssystems und die Lösung drängender Fragen, wie die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Pflege. Wertschätzung sei gut, koste aber Geld, so Carolina Trautner. Effizienzpotenziale sind auszuschöpfen mittels schlankerer Strukturen, Digitalisierung und Mindset-Change. Gesundheitsdaten nicht zu nutzen, ist laut Maximilian Funke-Kaiser unverantwortlich, wenn die elektronische Patientenakte (ePA) und Digitalisierung politisch gewollt sind.
Bei Prävention und Aufklärung ansetzen
Eine Optimierung durch die ePA sei möglich, z.B. wenn sie einen digitalen Präventionsplan umsetzt, sagt Funke-Kaiser. Laut Dr. Georg Kippels entsteht die Bereitschaft zum Datenteilen nur durch ein Grundvertrauen der Bürger. Dafür brauche es nachvollziehbare Sorgfalt im Umgang mit Daten und kommunizier-ten Mehrwert. Ansatzpunkte für die Transformation sind aus politischer Sicht die Patientenaufklärung und Prävention in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Umsetzung verlange auch eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes.
DiGA haben sinnvolles Potenzial

DiGA sind für die Patientenversorgung „hot“ – finden 80 Prozent des Fachpublikums beim MSD Gesundheitsforum. Erfolgreich in der Versorgungsrealität angekommen sind die digitalen Gesundheitsanwendungen allerdings noch nicht. Laut DiGA-Report 2022 der Techniker-Krankenkasse haben in den Bundesländern mit größter Nutzerdichte nur ca. 2 von 1000 Versicherten ein Rezept für eine der derzeit 33 Apps aus dem DiGA-Verzeichnis erhalten. Dennoch sieht Prof. Dr. Wolfgang Greiner in DiGA das Potenzial, bisherige Therapieoptionen in der Versorgungsrealität sinnvoll zu ergänzen.
„DiGA müssen so positioniert werden, dass sie echte Helfer sind.“ - Nadja Will und Corinna Beutel
Erhebungen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) bestätigen Greiners Einschätzung unter der Voraussetzung, dass Patient:innen von den Versorgenden aufgeklärt und begleitet werden. Hier haben Krankenkassen laut Corinna Beutel eine Riesenchance etwas zu bewegen, da sie Versicherte kontinuierlich begleiten, während Ärzt:innen die Patient:innen nur im Krankheitsfall versorgen. Nadja Will geht davon aus, dass z.B. in der Onkologie oft das Wissen fehle, dass digitale Anwendungen Lebensqualität verbessern. Der Mehrwert muss für Patient:innen und Ärzt:innen deutlich sein. Nur so werden die Apps auch faktisch genutzt. Es gilt Akzeptanz zu steigern und für eine Vernetzung von Arzt- und Patientenseite zu sorgen, z.B. indem die DiGA-Nutzung in der ePA rück-gespiegelt wird. Nur dann können DiGA ihr volles Potenzial entfalten und Brücken über die Sektorengrenzen bauen.
Impfmanagement effektiv verbessern

Impfquoten mittels einer Informationskampagne zu erhöhen war in der Corona-Pandemie das Ziel der Bundesregierung. Für die Umsetzung vergeben die Teilnehmenden am MSD Gesundheitsforum nur die Schulnote ausreichend. Schlechte Kommunikation und fehlende klare, zielgruppengerechte Botschaften insbesondere in Bezug auf die Auffrischungsimpfungen sind laut Dr. Michael Hubmann die Gründe dafür. Nachweisliche Verbesserungen für die Teilnahme an Präventionsmaßnahmen und Impfungen bringt die Digitalisierung mit Tools für Patient:innen, Angehörige und Ärzt:innen.
„Positive Digitalisierung und gut geplante vernetzte Kommunikation können Impfquoten verbessern.“ - Dr. Michael Hubmann
Die BVKJ-PraxisApp „Mein Kinder- und Jugendarzt“ bringt Informationen direkt auf das Smartphone von Eltern und erinnert an Impfungen, Vorsorge-Untersuchungen und Therapien. Der BKK Landesverband Bayern setzt die App im Rah-men von BKK STARKE KIDS neben anderen Maßnahmen ein, um das Spannungsfeld Familie durch sich ergänzende Systeme zu entlasten. Eltern wird zeitnah mit verzahnten digitalen und analogen Informationen geholfen, die Gesundheitsversorgung in den Alltag zu integrieren. Die Wirkung zeigt sich u.a. in einer Verfünffachung der Erstimpfungen gegen Humane Papillomaviren (HPV). Den Erfolg führt Ines Bauer darauf zurück, dass Digitalisierung hier mit begleiten-dem ärztlichem Sachverstand erfolgt, die Familien da abholt, wo sie stehen und der Arzt nicht nur Gatekeeper, sondern auch Beurteiler der medizinischen Ergebnisse aus der DiGA ist.
Digital wirklich gut vernetzt?

Telemedizin, ePA, e-Rezept und andere Lösungen sollen die Gesundheitsversorgung verbessern. Aber fast 75 Prozent der beim MSD Gesundheitsforum Anwe-senden erwarten, dass bis Ende 2022 maximal 10 Prozent der Patient:innen die ePA nutzen werden. Für die Umsetzung versorgungsorientierter Digitalisie-rung ist ein gordischer Knoten zu lösen und ein Fokus auf Usability, Nutzen und Vernetzung zu richten. Die Problemerkenntnis ist da: Infrastruktur und Wissen der Beteiligten sind aber oft unzureichend. Bürokratie und Datenschutz erschweren es, einen Versorgungsmehrwert zu schaffen.
„Um die ePA zu etablieren, bedarf es eines Paradigmenwechsels hin zu einem abgestuften Opt-Out-Prinzip, ergänzt um ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz.“ - Franz-Helmut Gerhards
Wenn laut DAK Digitalisierungsreport 2021 fast 40 Prozent der Ärzt:innen die ePA ablehnen und sie gerade einmal 0,6 Prozent der Bürger nutzen, kann sich Digitalisierung in der medizinischen Versorgung nicht wirksam entfalten. In der Änderung von Rahmenbedingungen mit verminderter Risikoaversion sieht Gerhards eine Möglichkeit, die ePA doch noch zur Datendrehscheibe statt zum Datentresor werden zu lassen. Annette Hempen findet digitale Anwendungen können Zeitersparnis, Ressourcenschonung und Qualitätsverbesserung bringen, wenn sie als Werkzeug dienen. Die Pandemie war Katalysator für Videosprechstunden. Technische Probleme und emotionale Vorbehalte wurden überwunden. Mit Praxis-bezug, Usability und Nutzenanpassung sind e-AU, e-Rezept, Videosprechstunde etc. sinnvoll und notwendig, insbesondere im regionalen Kontext.
Start-ups geben wichtige Impulse

Enge Kooperationen von Expert:innen aus dem Gesundheitssystem mit ideenreichen Jungunternehmer:innen aus Digital Health und dem MedTech-Bereich machen Gesundheitsversorgung zukunftsfähig. Partnerschaften, wie sie das Zentrum für Innovation & Gründung UnternehmerTUM fördert, spielen dabei für MSD eine wichtige Rolle. Mit den Impulsen von jungen Unternehmen können medizinische Innovationen im Gesundheitsmarkt Einzug halten und die Leistungsfähigkeit der Versorgungspraxis steigern. Drei Start-ups zeigen exemplarisch, dass neue Technologien im Versorgungsalltag angekommen sind.
„Etablierte Player brauchen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung immer wieder neue Impulse.“ - Jutta Klauer
Virtonomy hilft durch datengesteuerte Studien an virtuellen Patient:innen dabei Entwicklungskosten für lebenswichtige Medizin-technik zu senken. Konkret werden datenbasiert digitale Zwillinge von realen Patient:innen konstruiert und an diesen z.B. die Wirksamkeit von Herzklappen simuliert.
Zusammen mit führenden Kliniken hat Climedo Health eine cloud-basierte Plattform zur klinischen Validierung von Medizin- und Phar-maprodukten entwickelt. Eine leichte Erfassung von Studiendaten sowie Real World Data ist möglich und Real World Evidence für mehr Patientensicherheit kann entstehen.
Die KI-Plattform der deepc GmbH ist eine Integrationsplattform, welche klinischen Anwendern unkomplizierten Zugriff auf sämtliche weltweit führende KI-Produkte gibt. Indem sie Auffälligkeiten in Echtzeit zurückspiegelt, hilft sie dem Radiologen bei der Steigerung der Befundgenauigkeit.
Referentinnen und Referenten
- Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Lehrstuhlinhaber für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement Universität Bielefeld
- Corinna Beutel, Bereichsleiterin Versorgungs- und Vertragsmanagement KKH Kaufmännische Krankenkasse Vertragsmanagement
- Nadja Will, Initiatorin th!nk pink club e. V.
- Prof. Dr. Reinhold Roski | Herausgeber Monitor Versorgungsforschung, Moderation
- Ines Bauer, Referentin BKK Vertragsarbeitsgemeinschaft besondere Versorgungsformen BKK Landesverband Bayern
- Dr. Michael Hubmann, Kinderarzt und BVKJ Bundesvorstand & 2. stellv. Landesverbandsvorsitzender BVKJ Bayern
- Ingo Horak, Digital Health Entrepreneur
- Annette Hempen, Geschäftsführerin MuM
- Franz-Helmut Gerhards, CDO DAK Gesundheit
- Jutta Klauer, Ass. Director Digital Partnerships MSD Sharp & Dohme GmbH
- Sylvia Stojilkovic, Managing Partner TechFounders UnternehmerTUM
- Julia Moosbauer, Co-Founder und COO deepc GmbH
- Veronika Schweighart, Geschäftsführung Climedo Health GmbH
- Dr. Simon J. Sonntag, CEO Virtonomy GmbH, CEO