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Podiumsdiskussion 2

Digitale Gesundheitspolitik – Wo stehen wir in 3-5 Jahren?

Digitalisierung muss in der Versorgung erfahrbar werden. Mit der ePA kann das gelingen. Ihr Roll-Out braucht eine Umsetzungsstrategie die auf den Nutzen für Behandler und Patient:innen abzielt. Neben größerer Usabilty braucht es auch einen kulturellen Wandel in der Haltung der Akteure, damit Digitalisierung zu besserer Versorgung beiträgt.

Mit klarer Strategie zu erlebbarem Mehrwert von Digitalisierung

Ohne SARS-CoV-2 wäre das deutsche Gesundheitswesen heute nicht da, wo es jetzt durch die pandemiebedingten Digitalisierungsimpulse steht. Der gesetzliche Rahmen für ein digitales, systematisch lernendes Gesundheitssystem ist geschaffen. In der nächsten Legislaturperiode muss es in die Umsetzung gehen. Und zwar mit einer Strategie, deren Ziel es ist, den Nutzen von aufeinander abgestimmten Digitalisierungsprojekten in der konkreten Versorgung erfahrbar zu machen. In diesem Kontext wird es vor allem wichtig sein, zügig einen Weg zu finden die elektronische Patientenakte flächendeckend auszurollen und ihre Usability für alle Beteiligten zu erhöhen.

Kassensturz nötig: Wo steht die Digitalisierung heute?

Viel Lob spendeten die Diskutanten für den Digitalisierungsturbo des amtierenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Zugleich mahnten vor allem Prof. Dr. Andrew Ullmann und Maria Klein-Schmeink an, dass eine richtige Strategie dafür fehlt, wie die Gesetzgebung in der Gesundheitsversorgung faktisch ankommen kann. Laut Ullmann wurde zu lange „herumgedoktert“ und „Milliarden verschwendet“. Jetzt müsse ein „Kassensturz“ zum Status Quo erfolgen und geschaut werden, wie Digitalisierung auf den Weg gebracht werden kann.

Bessere Versorgung durch ePA erfahrbar machen

Als dringlichsten Ansatzpunkt einer Umsetzungsstrategie verorten alle Diskutanten die elektronische Patientenakte. Denn ohne die ePA fehle nach Meinung von Klein-Schmeink die Datenbasis für eine bessere Versorgung. Dabei seien Patient:innen und Patientenverbände bei der Entwicklung von Anwendungen mit einzubeziehen, um die Akzeptanz zu garantieren.

„In 3-5 Jahren werden wir Patient:innen systematisch bei allen Entwicklungsschritten beteiligen und durch kluge und funktionierende Anwendungen die Vorteile der Digitalisierung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung einsetzen.“ Maria Klein-Schmeink

Noch sei es zu umständlich, sich eine ePA anzulegen und der Mehrwert zu gering. Z.B. seien nur Grunddaten aufgespielt, ein Medikationsplan müsse erst hineingeladen werden und es sei unklar, wie ältere Daten zu Erkrankungen des Patient:innen ergänzt werden könnten. Ziel müsse es laut Klein-Schmeink sein, dass bspw. Parkinson- oder MS-Patient:innen ihre Daten in der ePA zusammenführen und gemeinsam mit Behandelnden ihre Behandlungsfortschritte gestalten können. Auch die Zuschauer:innen nennen in der Publikumsbefragung zum wichtigsten Digitalisierungsprojekt am häufigsten die ePA, aber auch die Nutzung von Daten für die Versorgungsforschung, der Kommunikationsdienst KIM sowie allgemein der Breitbandausbau werden als relevant angesehen.

Digitalisierung braucht kulturellen Wandel

Effizienzsteigerungen, die u.a. aus vermeidbaren Mehrfachuntersuchungen und koordinierbaren Behandlungsmöglichkeiten folgen, nennt Boris Velter als wichtiges Argument für die Priorisierung des ePA-Rollouts. Voraussetzung sei ein kultureller Wandel, der bewirke, dass Behandler und Patienten Vorbehalte ablegen und die Anwendungen faktisch nutzen. Den notwendigen Kulturwandel bezeichnet er als die größte Herausforderung auf dem Weg hin zu einem digitalen, systematisch lernenden Gesundheitssystem.

Nutzen muss bei Patient:innen ankommen

Mit dem Motto aus dem Gutachten des Sachverständigenrates „Daten teilen heißt besser heilen“, bringt Ullmann die Relevanz der ePA für die Digitalisierungsprozesse auf den Punkt.

„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, unter Einhaltung des Datenschutzes, ist die Chance die gesundheitliche Versorgung zum Wohle der Patienten deutlich zu verbessern. Deshalb dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.“
Prof. Dr. Andrew Ullmann

Polypharmazie, Fehlmedikation und Hospitalisierung vermeiden, Diagnosen und Therapien verbessern, so beschreibt er die Chancen dieses Instruments. In drei bis vier Jahren müsse dieser Mehrwert inklusive Klärung von Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Haftung bei den Patient:innen ankommen.

Opt-Out-Modell als Beschleuniger

Die Fortschritte für Patient:innen spürbar machen, will in der nächsten Legislaturperiode auch Bernhard Seidenath. Dazu gehöre für ihn, die Verbreitung der ePA zu beschleunigen. Sein Vorschlag lautet grundsätzlich alle Versicherten über ein Opt-Out-Modell mit der ePA auszustatten, d.h. sie zum Standard zu erklären. Durch das Zusammentragen und Auswerten von Daten aus den ePAs könnten Krankheiten wie beispielsweise Demenz besser verstanden und Quantensprünge in der Diagnostik möglich werden. Die Versorgungsforschung könnte so einen wichtigen Schub erfahren. Die Politik sei verpflichtet den Patient:innen die Vorteile der Digitalisierung und digitaler Anwendungen zuteilwerden zu lassen.

Referenten

Portrait Maria Klein-Schmeink

Maria Klein-Schmeink

MdB, Bündnis 90/Die Grünen | Referentin

Portrait Bernhard Seidenath

Bernhard Seidenath

MdL, CSU | Referent

Portrait Prof. Dr. Andrew Ullmann

Prof. Dr. Andrew Ullmann

MdB, FDP – UGS | Referent

Portrait Boris Velter

Boris Velter

Staatssekretär a.D., SPD – ASG | Referent

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