Alle Augen auf Covid-19 – gerät HIV in Vergessenheit?
Mehr als 90.000 Menschen waren laut Robert Koch-Institut bis Ende 2019 in Deutschland HIV-positiv. Von ihnen wussten Schätzungen zufolge rund 11.000 Personen nichts von ihrer HIV-Infektion. Die von der UNAIDS weltweit gesetzten Ziele 90-90-90-01 konnten auch in Deutschland bis 2020 nicht erreicht werden.
Es ist still geworden in Deutschland um das Thema HIV/Aids. Schlimmer noch: Angesichts der Schlagzeilen beherrschenden Corona-Pandemie könnte HIV zur vergessenen Krankheit werden. HIV-Expert*innen befürchten sogar, dass künftig Mittel unter anderem für Prävention und Selbsthilfe wegfallen könnten. Dabei kann HIV jeden treffen, der sexuell aktiv ist: den Familienvater aus der Mittelschicht, die junge Studentin, die zweifache Großmutter.
Will Deutschland das für 2030 angepasste 95-95-95-0-Ziel erreichen, ist ein Umdenken nötig. Über das Thema HIV sollte viel selbstverständlicher gesprochen werden – auch zwischen Patient*innen und Ärzt*innen. 50 Prozent der HIV- positiven Menschen in Deutschland sind über 50 Jahre alt. Wie können sie richtig behandelt werden, wenn es zusätzlich zu altersbedingten Begleiterkrankungen wie Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen kommt? Wie lässt sich der Stigmatisierung im Alltag begegnen?
Es darf kein Entweder-oder geben zwischen Covid-19 und anderen Infektionskrankheiten, die Millionen Menschen weltweit bedrohen. Schließlich profitiert die Forschung, wenn sie neue und bereits vorhandene Erkenntnisse zu diesen Infektionskrankheiten nutzen kann, denn die Expert*innen für Ebola und HIV sind zu einem großen Teil dieselben, die auch an Covid-19 forschen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzt*innen, Pharmaunternehmen, Apotheker*innen und Selbsthilfe-Organisationen ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Nur gemeinsam werden wir das 95-95-95-0-Ziel bis 2030 erreichen.
1 Das 90-90-90-0-Ziel sah bis 2020 vor, dass 90 % der mit HIV lebenden Menschen von ihrer HIV-Infektion wissen, 90 % davon sollten Zugang zu HIV-Therapien haben – wiederum bei mindestens 90 % aus dieser Gruppe sollte die Viruslast unter die Nachweisgrenze gesenkt werden. Ebenso sollte es keine Diskriminierung („0“) von HIV-Positiven mehr geben. UNAIDS hat die Ziele für 2030 auf die Werte 95-95-95-0 angepasst.