Wahrheit oder Pflicht
Italien und Frankreich haben die Impfpflicht eingeführt – Deutschland setzt bisher auf Aufklärung
Wenige gesundheitspolitische Themen werden in Deutschland so kontrovers diskutiert wie die Einführung einer Impfpflicht. Nun haben mit Italien und Frankreich innerhalb eines Jahres gleich zwei europäische Länder eine Impfpflicht für Kleinkinder eingeführt. Doch deutsche Experten sind sich über deren Nutzen uneinig.
"Noch immer sterben Kinder an Masern, das ist in der Heimat von Pasteur nicht annehmbar", begründete Frankreichs Premierminister Edouard Philippe den Beschluss seines Kabinetts, ab 2018 eine elf Impfungen umfassende Impfpflicht für Kleinkinder einzuführen. Auch das italienische Parlament beschloss im Juli 2017 die Impfpflicht, nachdem in Italien Anfang des Jahres eine Masernepidemie ausbrach: Allein bis Mitte Mai erkrankten 2395 Patienten an Masern. Im Vergleich zu nur 860 Krankheitsfällen im gesamten Vorjahr. Unter den Krankheitsfällen waren 89% nicht gegen Masern geimpft. Folglich muss nun mit hohen Bußgeldern rechnen, wer seine Kinder bis zu deren 6. Lebensjahr nicht dagegen impfen lässt.
Auch in Deutschland wird Nachlässigkeit beim Thema Impfen geahndet: Bisher drohen Eltern in Deutschland Strafen bis zu 2.500 Euro, wenn sie die Impfberatung von Kindertagesstätten verweigern. Darüber hinaus können Kinder und Jugendliche seit 2015 vorübergehend von Schule oder Kita ausgeschlossen werden, wenn sie nicht geimpft sind. Eine verbindliche Impfpflicht existiert bisher jedoch nicht. Der Präsident des Berufsverbandes deutscher Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, fordert dennoch die Einleitung weiterer Schritte: Ginge es nach ihm, würden Impfungen für den Besuch von Kindergärten zur Bedingung: „Ohne Impfung kein Kitabesuch und auch kein Besuch anderer Bildungseinrichtungen!“.
Ein Kernargument von Impfbefürwortern ist die Herdenimmunität: Denn neben Eigenschutz ist auch Gemeinschaftsschutz ein wichtiger Impfgrund. Wer nicht geimpft ist oder werden kann, ist gefährlichen Krankheiten hilflos ausgesetzt. Das betrifft zum Beispiel Säuglinge in ihrem ersten Lebensjahr: Sie werden nur durch eine hohe Impfquote geschützt, die den Übertragungsweg der Krankheit unterbricht. Sind große Anteile der Bevölkerung geimpft, kann die Krankheit sie kaum erreichen.
Sollte das Bundesgesundheitsministerium also nachziehen und auch in Deutschland eine Impfpflicht für Kleinkinder einführen? Die Impfquoten steigen laut Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland, aber Experten und Politik sind gespalten. Während die FDP eine allgemeine Impfpflicht für Kinder bis 14 Jahren fordert, plädieren der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe oder die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vor allem für sachliche Aufklärungsmaßnahmen. Auch die Teilnehmer des 15. MSD-Luncheons sprachen sich aufgrund der hohen Umsetzungshürden und des gesellschaftlichen Widerstands gegen eine Impfpflicht aus. Effektiver seien flächendeckende Aufklärungsmaßnahmen, um regionale Unterschiede zu überbrücken und ungeimpfte Erwachsene und Jugendliche zu erreichen, resümierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im November.
Für MSD steht im Vordergrund, sichere und wirksame Impfstoffe zu entwickeln und herzustellen. Wir unterstützen alle Bestrebungen, die Impfquoten in der Bevölkerung zu erhöhen, um einen höheren Gesundheitsschutz zu erlangen. Wir fordern von der Politik keine verpflichtenden Impfungen, sondern setzen uns für Aufklärung und eine gemeinsame Anstrengung von allen Akteuren des Gesundheitswesens ein. MSD fühlt sich klar in der Verantwortung, tatkräftig daran mitzuarbeiten.